Interview Not For Your Distinction e.V.
In Kollaboration mit NOT FOR YOUR DISTINCTION e.V. lancieren wir das Projekt THE SOCIAL SOAP BOX und widmen uns damit zwei der dringlichsten Probleme unserer Zeit: Plastikverschmutzung und Massenmigration. Was hinter der Initiative steckt und wie jeder Teil davon werden kann, lest ihr in unserem Interview.
Euer Projekt verknüpft Nachhaltigkeit mit humanitären Lösungsansätzen. Wie kam die Projektidee zustande?
Plastikverschmutzung und Massenmigration sind zwei der dringlichsten Probleme unserer Zeit. Das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos gehört zu den fünf Hotspots der Ägäis. Aufgrund seiner Nähe zur türkischen Grenze bildet es einen der ersten Berührungspunkte vieler Geflüchteter mit der EU. Die dortige Gemeinde ist überfordert, was zu schlimmen Umständen im Flüchtlingslager und Umweltproblemen auf der gesamten Insel führt. Um dieser Situation entgegenzuwirken, haben wir das Projekt Precious Plastic Samos ins Leben gerufen. In einer Werkstatt mit offenem Arbeitsbereich und mit Hilfe von Workshops entwerfen wir nach der Idee Empowerment through Creation gemeinsam mit unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihre Lebenssituationen wertvolle und funktionale Produkte aus recyceltem Plastik - einem kostenlosen Material.
Diesen Ansatz sehen wir als Hilfe zur Selbsthilfe um das Selbstbewusstsein bei bedürftigen Menschen neu zu stärken und einfache Lösungsansätze für alltägliche Probleme aufzuzeigen und nebenher die hygienischen Bedingungen zu verbessern. Für uns gehen nachhaltige und humanitäre Lösungsansätze grundsätzlich miteinander her, da sie sich beide in großem Maße beeinflussen.
Die Entwicklungen der Corona Krise zwangen uns im Frühjahr 2020, unser Projekt Precious Plastic Samos zu pausieren und zeitweilig nach Deutschland zurückzukehren. Pandemien wie Covid-19 stellen unsere Gesellschaft vor eine Herausforderung und einfachste Hygiene, wie das Händewaschen, bekommt eine neue Bedeutung.
Das Händewaschen mit Seife ist eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen um die Infektion und Übertragung des Virus zu verhindern. Was für viele zur Selbstverständlichkeit zählt, ist anderer Orts eine nahezu unüberwindbare Herausforderung.
Um diesem Problem entgegenzuwirken entwickelten wir zusammen mit Stop the water while using me die Idee für die Seifendose. Ein Produkt welches helfen soll mehr Aufmerksamkeit auf die Situation vor Ort zu lenken und uns als Konsumenten dazu bewegt etwas Gutes zu tun.
Wie genau funktioniert das Projekt?
Wir stellen eine limitiere Auflage der Dosen her, Stop the water while using me verkauft sie und der Kunde spendet Seifen für Geflüchtete in Griechenland. Dadurch, dass wir für die Herstellung ausschließlich Plastik von Stop the water while using me verwenden sprechen wir zwei individuelle Themen an, mit der Absicht dem Produkt einen tiefergehenden Sinn zu verleihen. Die für uns wichtigen Themen - humanitäre Krisensituationen und Umweltbewusstsein - werden so in einem Produkt vereint.
Wie und wo werden die Seifen Boxen hergestellt?
Die Seifenboxen werden aus den Kunststoffabfällen genutzter Plastikverpackungen von Stop the water while using me mittels low-tech Spritzgussverfahren hergestellt. Zerkleinertes Plastik wird mit Hilfe einer Maschine geschmolzen und in eine aus Aluminium angefertigte Form gespritzt. Hierfür haben wir Maschinen der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewegung Precious Plastic benutzt, die es ermöglichen, ohne große Investments, Plastik lokal zu recyclen.
Im Rahmen der Ausstellung “Re:Art feat. Precious Plastic” in der Overbeck Gesellschaft in Lübeck, welche sich diesem Thema widmete, konnten wir über 100 Seifendosen für den Verkauf herstellen. Sowohl die Refill Kanister als auch die Pumpbehälter bestehen aus HDPE, welches sich optimal für die weitere Verarbeitung mittels Spritzgießverfahren eignet. Aufgrund der materiellen Zusammensetzung ist jede Seifendose ein Unikat.
Die Boxen zeichnen sich durch ein besonders funktionelles Design aus. Könnt ihr uns erklären wie sie funktionieren?
Die Nachhaltigkeit eines Produkts fängt bereits bei der Gestaltung der Form an. Statt der Verwendung mehrerer Produkte zum Erfüllen verschiedener Anwendungszwecke, haben wir versucht, diese in einem Objekt zu integrieren. So ist die Seifendose nicht nur als Aufbewahrungsort zum transportieren von Seifen vorgesehen, sondern bietet auch die Möglichkeit einer Ablagefläche. Hierfür ist die Dose im liegenden Zustand als Seifenhalter mit integriertem Ablaufsystem gestaltet. Dieses bietet sowohl die Möglichkeit die Seife trocken zu lagern, als auch durch den Abfluss eine Schnur zu ziehen und sie somit praktisch unterwegs aufhängen zu können.
Warum habt ihr Samos als Ort ausgewählt? Wie ist die aktuelle Lage vor Ort, auch in Bezug auf Covid-19?
Das Flüchtlingslager auf Samos ist ein Ort innerhalb Europas, welchen man hier nicht erwarten würde. Über 5000 Menschen leben hier auf engstem Raum, in miserablen Lebensumständen und ohne ausreichende Hygiene, welches in einer Zeit wie dieser schnell zum Verhängnis werden kann. Diese Orte sind bei uns in Europa nicht einmalig und Samos ist nur ein Beispiel von vielen. Das besondere an Samos und warum wir diesen Ort für unsere Arbeit ausgesucht haben, ist die direkte Verbindung des Lagers zur Hauptstadt der Insel. Dies führt zu einer starken Vermischung der verschiedenen Kulturen, was sowohl als Punkt der Spannung, aber auch der Möglichkeiten gesehen werden kann. Aktuell jedoch ist das Lager in einem strengen Lockdown, weil mehrere COVID-19-Fälle ausgebrochen sind und die griechische Regierung keine alternativen Maßnahmen ergreifen will. Dies zwingt tausende Menschen dazu, ihren Tag innerhalb ihrer heruntergekommen Zelte zu verbringen. Eine Situation wie auf Lesbos ist voraussehbar.
Wie viele Seifen werden insgesamt gespendet? Und was passiert mit den Seifen vor Ort?
Gemeinsam mit den Partnern von STW sind bereits im Juli 7000 Seifen nach Samos verschickt und durch unseren Distributionspartner Refugee4Refugees vor Ort an die Geflüchteten verteilt worden. Mit dem Verkauf jeder Seifendose werden weitere Seifen an die Geflüchteten in den griechischen Aufnahmelager ausgehändigt.
Mit den gespendeten Seifen erhoffen wir den Geflüchteten in Griechenland eine grundlegende Hygiene zu ermöglichen.
Warum fiel eure Wahl auf uns als Projektpartner?
Zur Realisierung des Projektes haben wir nach einem zu unseren Vorstellungen der Nachhaltigkeit passendem Partner innerhalb der Kosmetikindustrie gesucht. Stop the water while using me vertritt nicht nur diese Vorstellungen, sondern hat uns auch mit ihren GoodWaterProjects überzeugt.
Welche Projekte plant ihr in Zukunft?
Not for your distinction ist ein Non-Profit Designstudio, dass wir während unseres Designstudiums ins Leben gerufen haben, um an gestalterischen Lösungsansätzen im humanitären Sektor zu forschen und auch in Zukunft nachhaltige Projekte realisieren zu können.
Aktuell arbeiten wir an einem weiteren Projekt mit Geflüchteten innerhalb Griechenlands im Bereich des Empowerment through creation mit den gleichen Ansätzen der Nachhaltigkeit in der humanitären Hilfe. Desweiteren hoffen wir sobald sich die Lage auf Samos stabilisiert hat, mit unseren ursprünglichen Plänen dort fortfahren zu können und gemeinsam viele weiter Produkte zu entwerfen.